Eine Berchtesgadener Fliegerlegende

Februar 2019

Vor 40 Jahren, am 10. Januar 1979, starb Ludwig Gaim. Seine große Leidenschaft war die Fliegerei und wenn es damals nach ihm gegangen wäre, hätte Berchtesgaden heute einen zumindest kleinen Flugplatz. Stattdessen ist er, der gebürtige Deggendorfer, erfolgreich bei der hiesigen jungen Damenwelt „gelandet“ und hat eine Berchtesgadenerin zur Ehefrau erwählt. Doch alles schön der Reihe nach!

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Ludwig Gaim

Ludwig Gaim, Jahrgang 1892, kam schon. vor dem Ersten Weltkrieg als Buchdrucker zum „Berchtesgadener Anzeiger“. An die Front abkommandiert, gelang ihm bald der Wechsel zu den Kampffliegern. Er überstand mehrere Abschüsse über französischem Kampfgebiet, doch auch ihm selbst gelangen mehrere Treffer feindlicher Militärflugzeuge. Kaum war der Krieg zu Ende, bemühte sich Gaim mit ganzer Kraft, Berchtesgaden in das Verkehrsflugnetz einzubeziehen – leider erfolglos. Bad Reichenhall war schon angeschlossen, doch in Berchtesgaden stritt man sich noch in Grundstücksfragen.

Dagegen war Gaim in diesen Jahren bei der Familiengründung erfolgreicher. Er heiratete die Berchtesgadenerin Isabella Boos aus dem Binder-Boos-Haus direkt neben der Pfarrkirche.

1920 kam die Tochter Isabella auf die Welt (Anm.: Seine einzige Tochter war die spätere Malermeistersgattin von Georg Renoth aus der Königsseerstraße, die 2018 im hohen Alter von 98 Jahren verstarb.)

Im Juni 1925 kam Gaim zur Junkers-Luftverkehrsgesellschaft. In Berchtesgaden hatte man seinen Plan erneut aufgegriffen, dennoch den Anschluss an das deutsche Luftverkehrsnetz zu realisieren. Dazu sollten als mögliche Start- bzw. Landeplätze das Hanauer Feld in der Schönau, jeweils ein Feld in Bischofswiesen und in der Aschau sowie das Schebererfeld beim Mieslhof in Untersalzberg geprüft werden. Gaim landete dazu zwischen 5. und 9. September 1925 viele Male zu Erkundungsflügen in Berchtesgaden und unternahm auch zahlreiche Rundflüge mit Honorationen und der einheimischen Bevölkerung, meist vom Hanauer Feld aus (siehe Foto).  Auch meine Mutter durfte als 13-Jährige einmal mitfliegen, worauf sie Zeit ihres Lebens mächtig stolz war. Gaim`s Berchtesgadener Paradestück war beim Erstflug das Uberfliegen der Maximiliansstraße in nur 30 Meter Höhe, um seiner dort wohnenden 5-jährigen Tochter einen Blumenstrauß abzuwerfen; danach landete er auf dem Hanauer Feld. Große Anerkennung und Ehre wurde ihm seitens der Berchtesgadener Öffentlichkeit zuteil.

Bei der letzten Probelandung in Bischofswiesen drückte eine Windböe seine Junkers F 13 zu Boden, so dass die Maschine zertrümmert wurde. Pilot und Passagiere überstanden die Bruchlandung zum Glück mit geringen Verletzungen.

Ludwig Gaim wechselte 1925 zur Trans-Europa-Union und war fortan Kapitän auf der Flugverbindung Frankfurt-Prag-Breslau. Ab 1927 gehörte er der Lufthansa an und flog als Kapitän die schwierigen transalpinen Verbindungen Frankfurt-Zürich-Mailand sowie München-Bozen-Trient-Rom; damals noch ohne Radar und Funkleitstrahl!  Aufgrund seiner herausragenden fliegerischen Fähigkeiten gehörte er ab 1937 der Regierungsstaffel an.

Einen Tag vor Weihnachten des Jahres 1941 beendete an der Front in Russland eine missglückte Notlandung bei Schneesturm jäh seine fliegerische Laufbahn. Schwerverletzt kam er ins Lazarett, doch angesichts seiner unglaublichen Zähigkeit stand er einige Monate später schon wieder auf den Beinen – mit der Fliegerei war`s allerdings endgültig vorbei!

Nach dem Tod seiner Ehefrau Isabella im Jahre 1948 sagte er Berchtesgaden ade und wohnte  zunächst am Tegernsee. Doch danach zog es ihn wieder in seine Geburtsstadt Deggendorf, wo er leidenschaftlich noch der Fischerei frönte und schließlich 87-jährig starb.

Das Foto (privat) zeigt vor dem Flugzeug: Pilot Gaim (1.v.l.), Herr von Schleicher (3.v.l.), Bürgermeister Nadler (5.v.l.)

Quelle: u. a. „Berchtesgaden im Wandel der Zeit“ (1929)“ und Ergänzungsband (1982)

Manfred Angerer