Die Schiffergilde vom Königssee

August 2021

Nach der Säkularisation 1803 kamen immer mehr Maler und Schriftsteller nach Berchtesgaden und an den Königssee. In deren Gefolge Gäste aus aller Herren Länder. Da das erste Elektroboot erst 1909 den Betrieb aufnahm, wurden Gäste vorher in Ruderbooten über den See befördert. Im Jahr 1908 zum Beispiel wurden mit 57 Ruderbooten, den Landauern, 78 000 Gäste befördert. Und zwar durch ca. 200 Ruderinnen und Ruderer. Um das logistisch stemmen zu können, wurde, vermutlich im Jahr 1887, die Königsseer Schiffergilde gegründet.

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Seeknecht

Die Schiffergilde setzte sich zusammen einmal aus 37 männlichen Ruderern, die den Namen „Seeknechte“ trugen und beim Schiffmeister Moderegger angestellt waren. Sie erhielten 10 Reichsmark Wochenlohn, außerdem eine tägliche Zulage. Bei schlechtem Wetter 1 Mark, bei schönem Wetter 2 Mark. Das hieß man „Ortsgeschenk“. An Sonn- und Feiertagen wurden die Schiffer für jede Fahrt extra bezahlt. Da wurde „in Eillinie“ gefahren. Die „Seeknechte“ hatten Vorrang und kamen stets als erste zum Einsatz.

Ihnen folgten die Schifferfamilien, die den Namen „Zulehner“ trugen. Diese hatten ein so genanntes „Glied“, Frauen wie Männer. „Glied“ bedeutete, man war nach den „Seeknechten“ als erster, zweiter Schiffer usw. an der Reihe, im Sinn von "in Reih und Glied". Eine große Anzahl Männer und Frauen hatten ein „Glied“, es vererbte sich vom Vater auf den Sohn, von der Mutter auf die Tochter. Am See ging es der Reihe nach. Sehr viele Schifferinnen und Schiffer gab es, die kein „Glied“ hatten. Sie wurden die „Hinter´n“ genannt. Alle Schiffer, die nach den „Seeknechten“ kamen, wurden für jede Fahrt bezahlt.

Morgens, gegen 8:00, bot sich am Königssee ein durchaus malerisches Bild. An der ganzen Seelände standen die großen und kleinen Ruderboote bereit. Es wimmelte von den vielen Schiffern, die die ankommenden Gäste erwarteten. Bald kamen Kolonnen von Fuhrwerken von Berchtesgaden und Salzburg. Ungefähr zwischen 8:30 und 9:30 war der "Hauptstoß", da fuhren die Boote unmittelbar nacheinander weg. Fast auf jedem Boot wurden an der Echowand zwei Böllerschüsse abgefeuert. Diese erweckten ein bis zu siebenfaches Echo.
 

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Gildezeichen

Als nach Einführung der großen Elektroboote auf dem Königssee (ab 1909) immer weniger Ruderinnen und Ruderer gebraucht wurden, verlor auch die Schiffergilde ihre Bedeutung. Im Heimatmuseum Schloss Adelsheim erinnern noch das Gildezeichen und die Uniform eines Seeknechts an diese Gilde (siehe Fotos). Nach der Wiedereröffnung des Museums voraussichtlich im Oktober 2021 können sie dort besichtigt werden.

Quellen: Bayerische Denkmalliste
Joseph Hinterbrandner: Von der alten Ruderschiffahrt am Königssee
 

Fotos: Frank Kammel mit Genehmigung des Heimatmuseums

Text: Gernot Anders