Warum hat Berchtesgaden eine Andreaskirche?

November 2015

Wie kommt St. Andreas nach Berchtesgaden?
Während der Heilige Petrus neben Paulus zum wichtigsten Heiligen der römischen Kirche wurde, stieg sein Bruder Andreas im Laufe des Früh- und Hochmittelalters zum wichtigsten Heiligen des Oströmischen Reichs (Byzanz) und damit zur Ostkirche auf. Andreas gilt dort auch als der Gründer des Bischofsstuhles von Konstantinopel. 

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St. Andreas

Wenn also im Westen im frühen Mittelalter eine Andreaskirche gebaut wurde, könnte dies unter Umständen auch etwas mit Byzanz zu tun gehabt haben, so die Mittelalterhistorikerin Claudia Alraum, die sich in ihren Forschungen u.a. mit dem Andreaskult in Rom beschäftigt hat. Im Hochmittelalter aber, also in der Zeit, in der 1102 das Stift Berchtesgaden gegründet wurde, hatten sich die Umstände verändert. Zu dieser Zeit herrschte im Römisch-Deutschen Reich der so genannte Investiturstreit: viele Jahrzehnte lang wurde gestritten um die Frage, wer Bischöfe einsetzen dürfe, der Papst oder der Kaiser. Graf Berengar von Sulzbach, der Gründer des Berchtesgadener Chorherrenstifts, war einer der wichtigsten Adeligen auf der Seite des Papstes. Aus diesem Grund hat er in der Gründungsurkunde das Stift auch unter den besonderen Schutz des Papstes gestellt. Damit versuchte er vermutlich, das Stift dem Einfluss des Kaisers zu entziehen. Es ist davon auszugehen, dass das Stift deshalb die gekreuzten Petrusschlüssel als Wappen erhalten hat und die Stiftskirche deshalb (neben Johannes) dem Heiligen Petrus, dem ersten Papst, geweiht worden ist. Frau Alraum hat nun berichtet, dass es durchaus vorkam, eine Kirche Petrus und eine benachbarte Kirche dessen leiblichem Bruder Andreas zu weihen. So konnte die Bedeutung des Petrus quasi zusätzlich unterstrichen und damit symbolisch die Nähe zum Nachfolger Petri, dem Papst, demonstriert werden. Wir wissen nicht, wann die erste Vorläuferkirche der heutigen Andreaskirche gebaut worden ist. Aber nach Funden während der letzten Renovierung muss es schon sehr früh gewesen sein. Von daher kann man davon ausgehen, dass die Pfarrkirche St. Andreas ihr Patrozinium genauso wie die Stiftskirche Petrus und Johannes der gedanklichen und politischen Nähe zum päpstlichen Rom zu verdanken hat.

Gernot Anders