15-Jähriger erlebte Bombardierung des Obersalzbergs

Mai 2020

Vor 75 Jahren, am 25.4.1945, wurde der Obersalzberg bombardiert. Diesen Tag verbrachte Herbert Wurm aus München in Berchtesgaden. Er erlebte als 15-Jähriger die Bombardierung und hat uns seine Erlebnisse aufgezeichnet:

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Nach schweren Luftangriffen über München konnten wir unsere dortige Wohnung nicht mehr benutzen. Wir fanden im Januar 1945 in dem kleinen Berghäusl unserer Verwandten neben der Pension "Hohenadl" eine Zuflucht.

Nach seiner Pensionierung hatten mein Großonkel, der Oberförster Hans Hohenadel und seine Schwester mit dem in St. Bartholomä erwirtschafteten Vermögen das Hotel "Berghof" gekauft. Es stand auf der Bergkuppe hoch über der Franziskanerkirche. In den dreißiger Jahren musste das Hotel umbenannt werden in Hotel "Hohenadl", weil zu oft Post für Hitler bei unseren Verwandten landete (Hitlers Haus auf dem Obersalzberg hieß auch Berghof - HKV).
Es war ein imponierender Bau; Heute steht an seiner Stelle ein gesichtsloser Wohnblock."

Wir fühlten uns sicher in Berchtesgaden. Da waren statt der brüchigen Luftschutzkeller die großen Felsenbunker und da war der stickige künstliche Nebel, der bei jedem Luftalarm das ganze Tal füllte.

An besagtem Tag (25.4.45) flog weit im Westen ein Bomberverband über Kempten nach Süden. Und in Berchtesgaden wurde der künstliche Nebel immer dünner, sodass der Talkessel in strahlendem Sonnenlicht lag. Der Bomberverband drehte nach Osten, überflog Tirol und drehte bei Zell am See nach Norden. Jetzt wurde in Berchtesgaden akuter Alarm gegeben. Ich ging auf die Terrasse, um den erwarteten Überflug zu beobachten. Bald hörte ich das zunehmende Singen und Brummen der Flugzeugmotoren. Und dann erschrak ich zutiefst: Ganz tief, fast in meiner Augenhöhe, kamen aus dem Königsseer Tal große, dunkle Bomber herangeschwebt, locker pendelnd, einer hinter dem anderen. Diese Staffel hatte sich in einer fliegerischen Meisterleistung über das Steinerne Meer und über den Königssee absinken lassen und hatte die Aufgabe, die Flakstellungen zu bombardieren. Ich habe das unheimliche Bild noch genau vor Augen.

Dass die Flugzeuge dann im Tiefflug auf den Obersalzberg einschwenkten, konnte ich nicht mehr sehen, denn ich zog meine Mutter aus dem Haus und lief mit ihr zum hinteren Eingang des Bunkers hinunter. Während unseres Laufens war das ganze Tal schon erfüllt von einem ohrenbetäubenden Krachen und Klirren. Meine Mutter rief: "Wenn es uns erwischt, sind wir selber schuld."

Der Hauptangriff erfolgte aus größerer Höhe und galt den Gebäuden des Obersalzbergs. Im Bunker zitterten die Felswände. Mein Vater, der zu dieser Zeit neben Oberbergrat Birkner Kommandeur des Volkssturms war, hatte sich nach einiger Zeit zu uns durchgeschlagen. Ich fragte ihn aufgeregt. "Ist Berchtesgaden kaputt?" Er sagte ganz ruhig: "Nein, im Ort sind nur viele Fensterscheiben zu Bruch gegangen."

Nach dem Angriff lag über dem Obersalzberg eine Wolke von Rauch und Staub. Am Abend fuhr eine lange Kolonne mit aufgeblendeten Scheinwerfern vom Obersalzberg herunter; ein in Verdunkelungszeiten ungewohnter Anblick. Die letzten Größen des Nazireichs verließen ihr zerstörtes Refugium.