Forstbetrieb Berchtesgaden bestätigt geplante Abtragung von historischen Straßenbauten im Bereich Kehlstein – Wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend

18.04.2009

Auf die Anfrage des Obersalzberg Instituts e.V. an die Bayerischen Staatsforsten vom Februar liegt nun eine schriftliche Äußerung des Forstbetriebs Berchtesgaden vor. Demnach sollen im Bereich des Kehlsteins auf den Streckenabschnitten Ofnerboden - GrafI - Salzwand - Ligeretalm – Scharitzkehl tatsächlich Teerdecken der im Schnitt 2,50 Meter breiten Straßen abgetragen werden...

Auf die Anfrage des Obersalzberg Instituts e.V. an die Bayerischen Staatsforsten vom Februar liegt nun eine schriftliche Äußerung des Forstbetriebs Berchtesgaden vor. Demnach sollen im Bereich des Kehlsteins auf den Streckenabschnitten Ofnerboden - GrafI - Salzwand - Ligeretalm – Scharitzkehl tatsächlich Teerdecken der im Schnitt 2,50 Meter breiten Straßen abgetragen werden, damit sie künftig – so der Forstbetrieb - „den modernen Bedürfnissen der Verkehrssicherheit sowie den Anforderungen einer vorbildlichen, modernen und auf Maschinen angewiesenen Forstwirtschaft“ angepasst werden können. Nach Forstbetriebsleiter Dr. Daniel Müller und Stellvertreter Peter Renoth sind die geteerten Fahrwege zu schmal und zu wenig tragfähig. Sie entsprächen damit nicht den gültigen Unfallverhütungsvorschriften und seien zudem nach 70 Jahren „intensiver Dauernutzung“ am Ende ihrer technischen Lebensdauer angelangt. Der Forstbetrieb spricht bei der geplanten Maßnahme, bei der unwiederbringlich historische Straßenbauwerke zerstört werden, von einer unumgänglichen „Sanierung eines großen Teiles des Wegebestandes“ und von einer „Instandsetzung des forstlichen Straßennetzes im Bereich Kehlstein“, die aus Mitteln der Bayerischen Staatsforsten bestritten werden sollen. Wegestücke mit untergeordneter Verkehrsbedeutung sowohl für den Wander- und Radverkehr als auch für forstliche Zwecke, sollen „bis auf Weiteres“ im bisherigen, also geteerten Zustand erhalten bleiben. Inzwischen trat der Forstbetrieb mit seinem Vorhaben nun auch erstmals an die Öffentlichkeit. Bei der Jahreshauptversammlung der Alpenvereinssektion Berchtesgaden erörterte Peter Renoth das Vorhaben im Kontext zu forstwirtschaftlichen Erfordernissen und erhielt beim Publikum Applaus, weil eine Anbindung des Wegnetzes vom Admiral-Scheer-Blick zum Parkplatz an der Dokumentation Obersalzberg in Aussicht gestellt wurde. Man strebe ein „Premiumwegekonzept“ in Kooperation mit der Gemeinde Berchtesgaden an.

Denkmalschutz soll geprüft werden – Die zuständige Behörde zögert in der Angelegenheit

Das Obersalzberg Institut e.V. (OI) steht den Maßnahmen, bei denen bis zu 8,3 Kilometer geteerte und mit aufwändigen Spitzgräben und Abläufen aus örtlichem Naturstein hergestellte Fahrstraßen abgetragen werden könnten, kritisch gegenüber und wird sich weiterhin für eine öffentliche Behandlung des Themas einsetzen. Bereits am 28. August 2008 hatte das OI die Prüfung der Aufnahme der Kehlsteinstraße und einer Reihe weiterer historischer Bauten und Überreste aus dem Bereich Obersalzberg in die Liste der bayerischen Bau- und Bodendenkmäler beantragt. Die Reaktion der Denkmalbehörde lässt vermuten, dass sich hier Dritte - möglicherweise das Bayerische Staatsministerium für Finanzen – schon im September 2008 eingeschaltet hatten und dadurch ein Ortstermin bis heute nicht zustande kam. Auslöser des Antrags vom August 2008 waren neben Erdarbeiten im Bereich von Überresten ehem. mittelalterlicher Bauernanwesen des Salzbergs auch erhebliche Beschädigungen am Nebenstraßennetz des Kehlsteins, die innerhalb der letzten Jahre durch Forstarbeiten auf der Strecke Ofnerboden-Dalsenwinkel entstanden waren. Mitunter hatten private Subunternehmer des Forstbetriebs bei Holzarbeiten die Spitzgräben aus Naturstein zerstört und mitten auf der Fahrbahn eine Seilbahn verankert. Von Bergsportlern und Angehörigen der Kehlsteinbetriebe darauf aufmerksam gemacht, dokumentierte anschließend ein Mitglied des Obersalzberg-Instituts die ausgedehnten Schäden, die sich punktuell über mehrere Kilometer zogen. Wenn daher vom „Ende der technischen Lebensdauer“ dieser Straßenabschnitte die Rede ist, dann dürfte der Forstbetrieb selbst daran Anteil tragen. Was den Denkmalschutz betrifft, habe das Forstamt keine rechtliche Verpflichtung zur Einschaltung des Denkmalamtes gesehen, weil die Straßen kein Denkmal seien, so Müller und Renoth in ihrem Schreiben an das Obersalzberg-Institut.

Historisches und der Wald – Straßen als Denkmale?

Der gesamte von den Bayerischen Staatsforsten bewirtschaftete Staatswald ist PEFC-zertifiziert (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes). Dieses unabhängige und international anerkannte Zertifizierungssystem garantiert und bestätigt die nachhaltige und ökologische Bewirtschaftung der Wälder. Seit 2005 beinhaltet die Rubrik "Gesellschaftliche und soziale Funktion der Wälder" (Punkt 44) die Neuerung aus, dass „auf Standorte mit anerkannter besonderer historischer, kultureller oder religiöser Bedeutung“ besondere Rücksicht genommen werden soll. Eine Kontaktaufnahme mit der zuständigen Denkmalbehörde sollte sich für das Forstamt daraus zumindest im Falle des historischen Kehlsteingebiets ergeben. Nach Ansicht von Denkmalfachleuten stellen neben der Anlage von neuen Forstwegen auch der Ausbau und die Instandsetzung bzw. die Befestigung bestehender Alt- und Rückewege und damit verbundene Planierarbeiten Bodeneingriffe dar, die einer denkmalpflegerischen Kontrolle bedürfen. (Vgl. „Denkmalschutz und Forstwirtschaft im Einklang?“, hg. v. Niedersächsischen Landesamt f. Denkmalpflege, 2006).

In Österreich laufen seit geraumer Zeit Verfahren, historische Gebirgsstraßenbauten unter Denkmalschutz zu stellen. Der zuständige Konservator im Bundesdenkmalamt Wien, Dipl.-Ing. Dr. Richard Wittasek-Dieckmann, informierte das Obersalzberg-Institut auf Anfrage, dass für die Wiener Höhenstraße ein Denkmalfeststellungsverfahren laufe und für die Großglocknerstraße wegen der besonderen Ingenieursleistung mit internationaler Bedeutung eine Prüfung demnächst stattfinden wird. Beraten werden die Behörden in Wien von dem deutschen Industriearchäologen Dipl.-Ing. Rolf Höhmann aus Darmstadt.

Gefährlicher Abfall

Manche Teerstraßen werden erst dann zum Problemfall, wenn sie abgetragen werden, also durch Abbruch zu beweglichem Bauschutt verarbeitet werden. So auch die Kehlstein-Nebenstrecken. Nach Angaben des Forstbetriebs handelt es sich bei den Teerbelägen der betroffenen Straßenabschnitte am Kehlstein um „gefährlichen Abfall“. Dies habe das Landratsamt Berchtesgadener Land bei einer abfallwirtschaftlichen Prüfung nach Einschaltung des Wasserwirtschaftsamtes eindeutig festgestellt. Dadurch wird eine äußerst kostenaufwändige Entsorgung des Materials mit zertifiziertem Nachweis nötig. Unter Umständen muss man sogar bis tief in die Auskofferung der Fahrwege eingreifen und Teermaterial herausnehmen. Die Kosten der gesamten Maßnahme wollen die Bayerischen Staatsforsten aus eigenen Mitteln bestreiten.