Orientierung für Postkutschen - die Stundsäulen

Dezember 2020

Wie lange brauchte eine Postkutsche im 19. Jahrhundert, um von der Ramsau nach Reichenhall zu gelangen? Wer mit offenen Augen durch die Ramsau geht, findet die Antwort unweit der dortigen Tankstelle: 5 Stunden. Diese Zeitangabe ist auf einer etwa eineinhalb Meter hohen Steinsäule, die bezeichnenderweise den Namen „Stundsäule“ trägt, eingraviert.

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Diese Stundsäule, die vermutlich mit dem Straßenbau 1805 bis 1807 aufgestellt wurde, ist nicht die einzige, die im Talkessel erhalten blieb: Weitere Stundsäulen stehen in der Ramsau unterhalb des Bindenkreuzes, am Hintersee (in der Nähe der Seeklause) und an der Hirschbichlstraße kurz nach der Hängebrücke. Auch in der Engedey an der Ramsauer Straße vor dem Stangenwald und am Hallthurm lassen sich alte Stundsäulen entdecken.

All diese Stundsäulen sind aus Ramsauer Nagelfluh herausgearbeitet, einem Konglomeratgestein, das bereits seit dem 15. Jahrhundert in Ramsauer Steinbrüchen abgebaut wurde. Aus diesem Gestein entstanden hauptsächlich Mühlsteine, daher wird der Nagelfluh hier auch als Ramsauer Mühlstein bezeichnet. Wer das Recht besaß, Mühlsteine zu brechen, ist alten Urkunden der Berchtesgadener Fürstpröpste zu entnehmen: Darin erteilen die Herrscher die entsprechende Konzession, die „Mühlsteinbrechergerechtsame“, an einzelne Lehen. Die Mühlsteinbrechergerechtsame war vererbbar, ähnlich dem „Bergrecht“ der Auer oder Salzberger Bauern.

Wie das Gestein entstanden ist und in früheren Jahrhunderten verarbeitet wurde, ist auf dem Ramsauer Mühlsteinweg zu erfahren. Dieser etwa dreistündige Spaziergang startet im Ortszentrum der Ramsau und führt rund um den Hintersee und auf den Wartstein und von dort wieder zurück über Maria am Kunterweg in die Ramsau – unterwegs liefern zahlreiche Informationstafeln interessante Erläuterungen.

Per-Aline Merz-Gödde, Elke Röhrig-Kropp