Der fürstpröpstliche Zehentstadel in der Aschau

Dezember 2018

Es hilft kein Jammern und Trauern: den Zehentstadl beim Oberaschau-Lehen in Bischofswiesen, den seinerzeit wohl letzten und größten Zehentstadl im östlichen Oberbayern gibt es nicht mehr. Er wurde vor 30 Jahren abgerissen.

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Zuletzt war er derart verfallen, dass eine gemeindliche Rettungs- und Umsetzaktion nicht einmal mehr vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege befürwortet wurde. Zu lange hatte man tatenlos zugesehen, wie er mehr und mehr verfiel. Schließlich fiel er 1987 der Abrissbirne bzw. der Planierraupe zum Opfer und seither ist er nur noch traurige Geschichte.

Er war im 17. Jahrhundert errichtet worden, um für die Fürstpropstei Heu und vor allem Getreide einzulagern. Den Lehensbesitzern als Leibeigene waren damals die unterschiedlichsten Dienste auferlegt worden, die sie für die Obrigkeit zu erbringen hatten.

Der Zehentstadl in der Aschau dürfte auch Getreide aus den auswärtigen Besitzungen des Stifts im Rottal bzw. in der Hofmark Tegernbach aufgenommen haben. Im Erdgeschoss konnte der Lehensbesitzer eigene Kühe und Pferde unterbringen, doch dafür musste er wiederum landwirtschaftliche Produkte an das Stift abliefern bzw. Fuhrdienste erbringen.

Der Stadl war laut Dipl.-Ing.Paul Werner, dem ehemaligen Referenten am Bayerischen Landesamr für Denkmalpflege für das östliche Oberbayern, und seinem exzellenten Bildband „Bäuerliche Baukultur im Berchtesgadener Land“ einmalig. Er bestand im Erdgeschoss aus den Stallungen mit einem weitüberspannenden Kreuzrippengewölbe, gestützt auf Nagelfluhsäulen. Darauf baute sich eine dreistöckige Tenne von hervorragender Zimmermannsarbeit auf. Das Dach war mit Scharschindeln eingedeckt. Die Ausmaße des Dachstuhls konnten sich ohne Übertreibung mit manchen großen Kirchendächern messen.

Nach der Auflösung des Stiftes im Jahre 1803 war auch der Zehentstadl seiner Aufgaben enthoben. Doch neben seiner weiteren landwirtschaftlichen Verwendung war er auch ein hervorragendes Architekturbeispiel aus fürstpröpstlicher Zeit des 17. Jahrhunderts.

Das Einzige, was von diesem stattlichen Zehentstadl heute noch existiert, ist ein Foto aus der Mitte der 80-er Jahre. Wer im Winter seine Langlaufspuren durch die schöne Aschau zieht und sich dem Anwesen nähert, wird sich kaum mehr an dieses historische Gebäude erinnern können oder davon eine Ahnung haben.

Es bleibt nur zu hoffen, dass dem zugehörigen alten Oberaschau-Lehen, datiert aus dem Jahre 1644, nicht das gleiche Schicksal zuteil wird wie seinem Zehentstadl. Der Zustand des alten Lehensgebäudes  ist besorgniserregend. Wer als Wanderer und Spaziergänger am Maximilian-Reitweg daran vorbeikommt, dem könnte Angst und Bang werden um ein weiteres Zeugnis alter bäuerlicher Baukultur im Berchtesgadener Land.

Manfred Angerer