Schlossweber-Sohn von Elkofen mit Schellenberger Wurzeln

März 2021

Was hat ein Handwerker am Fuß des Schlosses Elkofen im Landkreis Ebersberg mit der Geschichte von Berchtesgaden zu tun?
 

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Als 1920 das alte Schlossweberhaus abgerissen wurde, tat sich eine einerseits traurige aber auch delikate Geschichte auf, die der 2017 verstorbene Kreisheimatpfleger von Ebersberg, Markus Krammer, vom Dachboden des Hauses geretteten Schriften entnahm. Alle waren mit M.J.N.M. unterzeichnet. Neben religiösen Gedichten fanden sich auch höchst amüsante Verse über Flöhe, die wohl damals keine Seltenheit im Haushalt darstellten:

„Wär ja in mei`m Bett scho guat schlaffa, aber die depperten Flöh gebn halt koa Ruah. Hab oft a ganze Nacht mit eahna z`schaffa, z`rissn mir s`Duckbett und s`beylach dazua. Hoaßt allweil kratz und kreil – im Hemmad allaweil. Bißn, bißn, bißn muaß sey“.

Im den Pfarrmatrikeln und im ordentlichen Taufbuch der Pfarre Öxing, heute Grafing, wurde Krammer zunächst bei seinen Nachforschungen nach dem Verfasser nicht fündig. Doch der Pfarrer machte ihn schließlich darauf aufmerksam, dass früher für illegale, d. h. ledig zur Welt gekommene Kinder, ein eigenes Taufbuch angelegt worden war. Das war der entscheidende Hinweis: dort war die Geburt und Taufe eines Martin Johann Nepomuk Maler vermerkt, geboren am 11. November 1737 in Elkofen. Er war das ledige Kind einer Maria Anna Mulserin, zugezogen aus Schellenberg, Tochter des dortigen hoch angesehenen Salzbeamten-Gegenschreibers. Maria Anna ist wohl, um in ihrer alten Heimat kein „öffentliches Ärgernis“ zu erregen und vor allem ihren ehrengeachteten Vater nicht in Verruf zu bringen, von Schellenberg noch vor der Niederkunft weggezogen. Wie und warum sie nun ausgerechnet nach Elkofen kam, das ließ sich aus den Aufschreibungen leider nicht entnehmen. Erschütternd muss bei der Taufanmeldung gewesen sein, als sie den Vater des Kindes angab: Referendum  Dominum Johannes Christianus Pictore, Chor-Vikar von Salzburg - also ein Geistlicher!

Weil man mit dem lateinischen Namen  „Pictor“ nicht zurecht kam, verdeutschte man ihn einfach und nannte das Kind im Taufbuch übersetzt „Maler“. Als Pate des Knaben von so ungleichen Eltern fungierte der Kuratbenefiziat vom Elkofen höchstpersönlich. Er sorgte fortan aufopfernd für den Buben und übernahm dessen schulische Ausbildung. Der alte Schlossweber hat den kleinen Martin dann an Kindes statt angenommen; beließ ihm jedoch den übersetzten Namen des Vaters „Maler“. Unter den aufgefundenen Dokumenten befand sich schließlich auch noch ein Legitimationsbrief vom 15. November 1752, wonach gemäß „höchstkirchlichem Entschluss die uneheliche Geburt des Martinus Johannes Nepomuk aufgehoben und ausgelöscht und er in Ehre und Würde einem ehelich geborenen Kinde gleichgestellt würde, also dergestalt, dass Ihm keine Schmach und Schande vorgeworfen werden könne“. So der Wortlaut.  

Über das Schicksal seiner Mutter, Maria Anna Mulserin, ist nichts weiter bekannt. Auch sie wird möglicherweise bis zu ihrem Tode im Umfeld des Schlosses Elkofen gearbeitet haben. Mit dem Legitimationsbrief ist gewiss auch ihr Schmach und Schande einer ledigen Mutter genommen worden. Eine Rückkehr nach Schellenberg ist dennoch wohl kaum anzunehmen. Ihr Sohn Martin war zuletzt angesehener Schlosswebermeister von Elkofen und starb am 20. Januar 1810.

Manfred Angerer