100 Jahre elektrischer Zugbetrieb nach Berchtesgaden

Dezember 2016

Das Jahr 2016 darf keinesfalls zu Ende gehen, ohne noch einmal an das diesjährige Jubiläum zu erinnern. 

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Erste E-Lok der Gattung EP 3/6

Das Jahr 2016 darf keinesfalls zu Ende gehen, ohne noch einmal an das diesjährige Jubiläum zu erinnern. Das war damals im wahrsten Wortsinn eine „bahnbrechende“ Verbesserung des Zugverkehrs, als die Dampflokomotiven nach 28 Jahren durch leistungsfähige, wiederum eigens für die Hallthurmer Steilstrecke konzipierten, elektrischen Lokomotiven abgelöst wurden. Das für die Strecke gebaute Saalachkraftwerk nahm sogar schon 1914 den Betrieb auf, belieferte anfangs aber – wie vertraglich vorgesehen – nur die Stadt Bad Reichenhall mit elektrischer Energie. Die Auslieferung der elektrischen Lokomotiven durch die Fa. Krauss in München und damit der Beginn des elektrischen Zugbetriebes verzögerte sich allerdings kriegsbedingt um zwei volle Jahre. So war es erst am 15. April 1916 soweit, dass es durch das Kurgebiet von Bad Reichenhall nicht mehr qualmte und stank und die Heizer auf den Dampflokomotiven endlich ihren anstrengenden und gesundheitsraubenden Dienst quittieren konnten.

Die Strecke hat in ihrer hundertjährigen, elektrifizierten  Zeitgeschichte viel erlebt. Sei es, dass auf der Hallthurmer Steilstrecke mit 42 o/oo so gut wie jede neu entwickelte elektrische Lokomotive ihre Tests bestehen mußte, sei es dass im Dritten Reich alle nationalsozialistischen Führungsgrößen mit ihren Sonderzügen nach Berchtesgaden anreisten, in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg tausende von Pauschalurlaubern mit dem Touristikunternehmen TOUROPA per Bahn nach Berchtesgaden zur Sommerfrische kamen und jahrzehntelang alles Lebensnotwendige mit der Bahn (!) nach Berchtesgaden transportiert wurde. Ab 1934 war die legendäre elektrische Lokomotive E 44-5 im Einsatz, die spezielle Lok ausschließlich für den sog. Berchtesgadener Plan (Strecke Freilassing – Berchtesgaden). Über 50 (!) Jahre hat diese Lokomotive, von der es nur acht Exemplare gab, zur höchsten Zufriedenheit ihren Dienst getan. Deren Lokführer waren mit ihren Maschinen regelrecht „verheiratet“!

Mit dem Aufkommen und Überhandnehmen des Individualverkehrs wurde es auf der Strecke immer stiller und zuweilen schwebte das Damoklesschwert über ihr – zuweilen war von Stilllegung die Rede. Erst als das Thema „Umwelt- und Klimaschutz“ für Berchtesgaden und Bad Reichenhall ein ernsthaftes Thema wurde, besann man sich eines Besseren und unternahm etwas zum Erhalt der Bahnstrecke. Gerade im letzten und in diesem Jahr hat die für die Strecke zuständige DBNetz AG viel Geld in die Hand genommen, um die Gleisanlagen und die Oberleitung auf den neuesten Stand zu bringen. Man kann nur hoffen, dass durch den oftmaligen und relativ langen baubedingten Zugausfall und Schienenersatzverkehr nicht zu viele Fahrgäste auf den PKW umgestiegen sind und dem umweltfreundlichen elektrischen Schienenverkehr „ade“ gesagt haben. Ein „heilklimatischer Urlaubsort“ wie Berchtesgaden kann sich eine derartige Fehlentwicklung  keinesfalls leisten! Und für die Kurstadt Bad Reichenhall gilt dies gleichermaßen!

Für den Heimatkundeverein Berchtesgaden e. V. war das Jubiläum  Anlass, der „Energiequelle Saalachkraftwerk“ kürzlich einen Besuch abzustatten. Die respektable Teilnehmerzahl war von der 102 Jahre alten Kraftwerksanlage mit ihren bestens gepflegten Maschinensätzen höchst beeindruckt, die wie am ersten Tag die Stadt Bad Reichenhall und die Bahnstrecke mit dem nötigen „Saft“ beliefern.
Manfred Angerer