BR Radio Feature von OI-Mitglied Ulrich Chaussy heute in Bayern2 Radio

„Ich bin gerade vier geworden, als sich mein Vater als
‚Hauptkriegsverbrecher’ in Nürnberg vor dem International Military
Tribunal verantworten muss. Als Student kaufe ich mir die Gesamtausgabe aller
Vernehmungsprotokolle. Die Frage nach der Verantwortung und Schuld des
‚Mannes von Kultur’, wie ihn der Vorsitzende nennt, lässt mich nie mehr
los.“
Das bekennt Richard von Schirach in seinem Buch „Der Schatten meines
Vaters“ - und er ist nur eines von vielen Täterkindern, die sich ihr
Familienschicksal von der Seele schreiben. Der Sohn des ehemaligen
"Reichsjugendführers" sprach letzte Woche anlässlich des "9. Obersalzberger
Gesprächs" in der Dokumentation Obersalzberg vor knapp 100 Besuchern über
seine Lebenserfahrungen im Bezug auf die NS-Verstrickugen seiner Familie.

Wenn die Söhne und Töchter der Tätergeneration die Familiengeschichte
konsequent tabuisiert haben, ist es mittlerweile die Enkelgeneration, die
dieses Schweigen bricht. Das gilt etwa für Katrin Himmler, die Großnichte
des SS-Reichsführers und Chefexekutors des Holocaust Heinrich Himmler, die
das Buch „Die Brüder Himmler“ verfasst hat. Sie möchte dereinst dem Kind,
das sie mit einem israelischen Lebensgefährten hat, offen Auskunft über
die Geschichte und die Verantwortung ihrer Familie geben, um nicht über
Schweigen und Heimlichkeiten zu Gefangenen einer unklaren Vergangenheit zu
werden.