Kehlstein einmal anders

März 2016
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Kehlsteinhaus

Zu der Debatte, ob das Kehlsteinareal eine "Europäische Erinnerungslandschaft" werden soll, wie derzeit eine Bürgerinitiative fordert (BA vom 18.2.16) oder ob es doch ein reiner "Tätererinnerungsort" ist, wie ein Vertreter des Bayerischen Finanzministeriums meint, hier eine wahre Geschichte:

Es war im Jahr 1998, als ich mit David, unserem israelischen Reiseleiter, in einem Café in Jerusalem saß. Davids Eltern waren österreichische Juden, die 1938 nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich gerade noch rechtzeitig aus Wien fliehen konnten. Deshalb sprach er auch perfekt deutsch, seine "Muttersprache". David fragte mich, wo ich her sei. Ich antwortete :"Aus Bayern." Er, etwas ungeduldig: "Das hör ich doch. Wo genau?". Ich zog etwas den Kopf ein, als ich antwortete: "Aus Berchtesgaden". Erwartungsgemäße Reaktion: "Ah Obersalzberg". Doch dann, zur Überraschung: "Da war ich auch schon, auch auf dem Kehlstein. Als dort oben in dem Haus, das für Adolf Hitler gebaut wurde, ausgerechnet ich als Jude gastfreundlichst bedient wurde, fiel die ganze Last der Vergangenheit von mir ab. Ich fühlte mich richtig frei." Erinnern kann also auch friedensstiftend wirken.

Wenn ich inzwischen im Spätherbst, wenn die Touristen weg sind, manchmal dort oben stehe, denke ich natürlich bedrückt an die grauenhaften Verbrechen, die von unserem Land in jener Zeit ausgegangen sind, aber auch an den Frieden, den der Israeli David ausgerechnet hier gefunden hat.
Gernot Anders, 2. Vorsitzender