Rudolf Kriss: Im Zeichen des Ungeistes

Mai 2015

1. Mai 1945: Prof. Dr. Rudolf Kriss kommt frei
Neuauflage seines Buches „Im Zeichen des Ungeistes“ durch den Heimatkundeverein Berchtesgaden
Heute vor 70 Jahren kam der Berchtesgadener Prof. Rudolf Kriss (ursprünglich Kriß) nach dem Einmarsch der Amerikaner wieder in Freiheit. Damit ging für ihn eine schlimme Odyssee zu Ende.

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Kriss wurde 1944 in Berchtesgaden wegen regimekritischer Äußerungen denunziert und im gleichen Jahr vom Volksgerichtshof in Berlin durch den berüchtigten Vorsitzenden Roland Freisler wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt. Danach zu lebenslänglich Zuchthaus begnadigt, einem Todesmarsch von Straubing nach Dachau entkommen, wieder eingefangen und letztlich doch frei gekommen.

Über seine persönlichen Erlebnisse dieser Zeit hat Kriss nach Kriegsende ein aufwühlendes Buch geschrieben: „Im Zeichen des Ungeistes“. Sprachgewaltig, präzise, klar, ist es ein Buch, das bewegt. Es ist ein Dokument dieser schlimmen Zeit aus seiner persönlichen Warte, es ist aber auch ein Dokument der Humanität, die Kriss immer wieder wiederfahren ist, auch in schlimmsten Zeiten. Dieses Buch, seit Jahren vergriffen, hat der Heimatkundeverein Berchtesgaden nun im Eigenverlag als Neuauflage herausgegeben. Es ist im Buchhandel erhältlich und kostet 9,40 €, für Vereinsmitglieder 7,00 €.

Damit soll nicht nur ein Dokument aus der Zeit des Dritten Reichs neuen Lesern zugänglich gemacht werden. Es ist auch ein Dank des Heimatkundevereins, dessen Gründungsvorsitzender und späterer Ehrenvorsitzender Prof. Kriss war. Und es soll damit jüngeren Menschen, denen der Name Kriss vielleicht gar nichts mehr sagt, eine ganz besondere Persönlichkeit Berchtesgadens in Erinnerung gebracht werden: Besitzer des Hofbräuhauses Berchtesgaden, international anerkannter Wissenschaftler aus dem Bereich der Volkskunde, Begründer der Sammlung Kriss, der „weltweit bedeutendsten Sammlung zum Volksglauben Europas“, so der frühere Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums, wohin Kriss die Sammlung mit 14 000 Einzelstücken geschenkt hat, Verfasser der drei bedeutendsten Bücher zum Berchtesgadener Brauchtum, großzügiger Mäzen Berchtesgadens, bekennender Gegner des Nationalsozialismus, maßgeblich daran beteiligt, dass die Weihnachtsschützen im Dritten Reich trotz aller Bemühungen der Machthaber nicht verboten wurden, nach 1945 für einige Monate Bürgermeister des Marktes Berchtesgaden und Kreisrat bis zu seinem Tod im Jahr 1973.

Gernot Anders