Wie kam die Reformation nach Berchtesgaden?

April 2018

Die protestantische Reformation durch Martin Luther hat im Jahr 1517 in Wittenberg ihren Anfang genommen. Durch die Vertreibung von 1000 bis 2000 protestantischen Berchtesgadenern im Jahr 1733 wissen wir, dass Luthers Lehre auch im Talkessel Anhänger gehabt hat. Nur: Wie kam die Lehre nach Berchtesgaden?

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Im Jahr 1521 predigte ein Dr. Jakob Strauß noch völlig unbehelligt reformatorisch in der Berchtesgadener Stiftskirche. Erst 1524 verbot der Salzburger Erzbischof die lutherische Lehre. Jakob Strauß wurde in Basel geboren, studierte in Freiburg Theologie und schloss dieses mit der Promotion ab. Er ging dann nach Tirol, zog anschließend nach Eisenach, wo er die Messe abschaffte, die Lehre vom Fegefeuer bekämpfte, für die Priesterehe eintrat und die Gebote des Alten Testamens für verbindliches Recht erklärte. Martin Luther und Philipp Melanchton versuchten persönlich auf ihn einzuwirken und ihn von seinen Meinungen abzubringen. Später erhielt er eine Anstellung in Baden-Baden, wo sich seine Spuren verlieren.

Michael Auer, Chorherr in Berchtesgaden wurde 1514 wegen Diebstahls aus dem Stift gewiesen und seiner Pfründe (Einnahmen) als Kanoniker enthoben. Kurz darauf legte er eine päpstliche Urkunde (befindet sich im hiesigen Kath. Pfarrarchiv) vor, welche ihn wieder in seine alten Rechte einsetzte. Die Regierung sah darin eine Fälschung und erkannte sie nicht an. Letztendlich gewährte man ihm 1527, obwohl er von der lutherischen Lehre „ganz vergiftet und behaftet“ war, aus Mitleid und Barmherzigkeit sowie in der Hoffnung, dass die Gnade Gottes ihn erleuchten und er sich „wieder bekehren“ werde, ein Jahr lang den „Gaststand“ im Stift. Schon nach kurzer Zeit fing er an, die lutherische Lehre zu preisen. Bei einem Streit mit einem Gastpriester drohte er sogar, diesen zu erstechen. Man warf ihn deshalb ins Gefängnis. Der weitere Ausgang ist nicht bekannt. Er blieb der einzige Chorherr, der sich der Reformation angeschlossen hatte.

In der Bevölkerung begann die Reformation in aller Stille, Ausgangspunkt war das Bergwerk in Dürrnberg, wohin Erzbischof Lang (1519 – 1540) protestantische Bergleute aus Sachsen zur Hebung der Produktion berufen hatte. Wirtschaftliches Denken ermöglichte religiöse Duldsamkeit. Seit dem Mittelalter hatten Berchtesgadener Untertanen Arbeitsrechte in Dürrnberg und erhielten so direkten Zugang zur neuen Lehre. Aber auch Untertanen, welche durch Salz- und Schnitzwarenhandel in die freien Reichsstädte kamen, brachten reformatorische Bücher und Gedankengut mit. Nachts und während der Gottesdienstzeiten traf man sich heimlich zu Gebet, Gesang und Bibellesungen. Höhepunkte waren Schriftauslegungen durchreisender Prediger. Unaufhaltsam breitete sich das Luthertum von Au, über Scheffau, Schellenberg, Gern, Bischofswiesen, vereinzelt sogar bis Schönau und Ramsau aus. Die Regierung war ahnungslos, der Volksmund sprach von den „Unsichtbaren". Erst 1567 erhielten die beiden Stiftseelsorger Reitpferde, kamen auch in entlegenere Gebiete und erfuhren von dem heimlichen Treiben. Trotz der jetzt einsetzenden massiven gegenreformatorischen Anstrengungen konnte erst 1788 ein Bericht feststellen, dass der „Irrglaube“ endgültig ausgemerzt sei.

Zum Foto: Im unteren Feld des Deckengemäldes in Maria Kunterweg in der Ramsau ist eine Andacht von Protestanten zu sehen. 13 Lutheraner folgen in zwei Lutherbibeln den Auslegungen ihres Predigers am rechten Bildrand. Diese Andacht wurde durch zwei Blitze jäh unterbrochen.

Alfred Spiegel-Schmidt