Sensationsfund des Heimatforschers Franz Hanser

Februar 2024

Franz Hanser (1893 – 1956) hat sich außerordentliche Verdienste um Archivpflege und Erforschung der Berchtesgadener Vergangenheit erworben. Bei seinen Arbeiten über die hiesige Metzgerzunft machte er (wohl 1930) einen historischen Fund, den man heute, wo man mehr darüber weiß, durchaus als eine kleine Sensation bezeichnen kann.

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Handschrift Vorderseite

In der Bergheimat des Jahres 1931 findet sich in einem kurzen Beitrag, dass Hanser eine beidseitig beschriebene Handschrift auf Pergament als Umschlag eines Einschreibbuches der Metzgerzunft gefunden hatte. Das Bayerische Haupt-Staatsarchiv stellte dazu auf Ersuchen fest:
„Die Handschrift ist ein Bruchstück aus einem, in lateinischer Sprache verfassten theologischen Werk über die Prädestination (= göttliche Vorbestimmung) Christi und wahrscheinlich ein Kommentar zu einer der Schriften des hl. Augustinus. Sie stammt aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts.“

 

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Handschrift Rückseite

Sie kam ins Museum des „Vereins für Geschichtskunde des Berchtesgadener Landes“, welches sich in der Schnitzschule befand und dessen gesamter Bestand nach der Vereinsauflösung ins Heimatmuseum, heute Museum Schloss Adelsheim, gelangte. Da sich das Blatt nicht als Ausstellungsobjekt eignet (es ist sehr lichtempfindlich und würde schon nach kurzer Zeit ausbleichen, wurde die Handschrift 2022 dem Heimatkundeverein als Nachfolger des „Vereins für Geschichtskunde“ für sein Archiv übergeben.

Wir wissen heute, dass die Berchtesgadener Stiftsbibliothek nach der Säkularisation des Stiftes im Jahr 1807 der Hofbibliothek Salzburg einverleibt wurde und sich jetzt in der Universitätsbibliothek befindet. Dort konnten nur noch 13 Handschriften aus Berchtesgaden festgestellt werden, von denen zwei noch im 12. Jahrhundert entstanden sind. Dabei handelt es sich um eine, als Codex-Einband (= Handschriftensammlung) verwendete Seite, welche mit Bittgebeten beschrieben ist und eine sehr schöne F-Initiale enthält. Sie ist im I. Band der Geschichte von Berchtesgaden auf S. 263 abgebildet. Die 2. Handschrift enthält theologische Abhandlungen. Zeitlich folgt unser Blatt aus dem 13. Jahrhundert; die anderen 11 Werke stammen aus späterer Zeit.

Stefan Weinfurter, der unser Blatt nicht kannte, schreibt in der Geschichte von Berchtesgaden, „dass die alten Bestände schon früh verloren gegangen sind; und im großen Brand von 1595 dürfte weiteres verloren gegangen sein“ und weiter „selbstverständlich wird man auch Handschriften der Kirchenväter in der Stiftsbibliothek des 12. Jahrhunderts angetroffen haben, insbesondere vom hl. Augustinus.“

Die Vermutung auf Schriften des hl. Augustinus dürfte sich hiermit bewahrheitet haben. Weiter meine ich, dass unser Fragment, einem beim Stiftsbrand beschädigten Werk entstammt, welches dann später als Einband des Einschreibbuchs der Metzgerzunft eine neue Verwendung fand. Es handelt es sich auf jeden Fall um das älteste Schriftstück, das sich noch aus Stiftszeiten in Berchtesgaden befindet.

Am Ende sei noch kurz erwähnt, dass die erste deutsche Papiermühle 1389 in der Nähe von Nürnberg entstand und man davor nur auf Pergament schrieb, einem Stoff aus enthaarten, nicht gegerbten und unter Spannung getrockneten Tierhäuten von Schaf, Ziege oder Kalb.


Literatur:
    - Bergheimat 1931, S. 8;
    - Stefan Weinfurter, Die Gründung des Augustiner-Chorherrenstiftes, in:
      Geschichte von Berchtesgaden Bd. I, S. 261 – 264;
    - Hellmut Schöner, Berchtesgaden im Wandel der Zeit, Erg. Bd. 1, S. 558.

Alfred Spiegel-Schmidt

Fotos: Alfred Spiegel-Schmidt