Propst Bernhard I. von Schonstett
April 2024
Propst Bernhard I. von Schonstett - Vater des geistlichen Programms im Kreuzgang
Im Jahr 787 bestimmte das Konzil von Nicäa, dass die Komposition der Bilder nicht der Initiative der Künstler überlassen, sondern Sache der Kirchenväter sei. Den Steinmetzen stand somit immer ein Kleriker belehrend zur Seite, der die Szenen im Detail festlegte und alles in ein geistliches Programm einordnete, das sich von Säule zu Säule fortsetzt. Auch im Berchtesgadener Kreuzgang kann man diese „Predigt in Stein“ gut verfolgen.
Es gibt jedoch ein Kapitell, das überhaupt nicht in jene Predigt passt. Auf ihm erkennen wir zwei Kanoniker, die zum Krummstab, dem Attribut des guten Hirten greifen. Symbolisch betrachtet ist rechts die Segenshand, welche die priesterliche Autorität bezeugt, die Linke macht dagegen auf Gerechtigkeit und irdische Macht aufmerksam. Der rechte Kanoniker hält in der linken Hand ein Vierblatt, Ausdruck der Erde und weltlichen Herrschaft; der linke weist mit der Rechten auf einen Ölbaumzweig, Sinnbild für Versöhnung und Frieden. Der Krummstab ist das verbindende Element und Zeichen des Propst-Amtes. In meinem Kreuzgangbuch meinte ich noch, hier wäre der Zwiespalt zwischen weltlicher und geistlicher Macht dargestellt. Solche Zweifel kannten jedoch die Pröpste „von Gottes Gnaden“ damals nicht.
Dieses Kapitell verweist viel mehr auf einen Text im Diplom Kaiser Heinrich VI. vom 23. März 1194, der lautet: „Der Propst soll die Angehörigen und Eigenleute des Stiftes in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten leiten“.
Dieser Text fand in Kaiserurkunden jener Zeit keinerlei Entsprechung und wurde wohl auf Wunsch des Propstes in das Diplom aufgenommen. Dadurch erhielt das Stift schon sehr früh die niedere Gerichtsbarkeit und mit ihr, den Grundstein für die spätere Landesbildung verliehen. Demzufolge können wir auch den Kleriker identifizieren, der das geistliche Programm einst festlegte. Es war sicher Propst Bernhard oder Wernhard I. von Schonstett (1188 – 1201), der hier voller Stolz die, durch kaiserliche Verfügung erlangte, niedere Gerichtsbarkeit im Kreuzgang verewigte. Dafür spricht auch, dass dessen Bau in seiner Regierungszeit begonnen worden ist.
Lit.:
Geschichte von Berchtesgaden, Band I, Berchtesgaden 1991:
Heinz Dopsch, Von der Existenzkrise zur Landesbildung, S. 286, 291 - 293;
Peter F. Kramml, Die Pröpste von Berchtesgaden, S. 1104.
Alfred Spiegel-Schmidt. Im Stein verborgen, Die Botschaft des romanischen Kreuzgangs in Berchtesgaden, Berchtesgaden 2004, S. 7 – 8, Abb. S. 30 – 31.
Karl-Otto Ambronn, Biographisches Lexikon des Berchtesgadener Landes, Berchtesgaden 2016, S. 1562 - 1563.
Fotos: Alfred Spiegel-Schmidt