Gedenken nach 80 Jahren

Mai 2025

Die Todesopfer im Beerdigungsbuch von 1945

Vor 80 Jahren, am 4. Mai 1945 wurde der Landkreis Berchtesgaden der amerikanischen 101. Airborne Division kampflos übergeben. Mit ihnen zogen auch französiche Widerstandskämpfer ins Land.

Die besonders gefürchteten Franzosen (Gaullisten, unter ihnen auch Marokkaner) hielten das Gebiet rechts der Ache besetzt, bis sie, eine Spur des Grauens hinterlassend, am 8. Mai wieder abzogen. Bedrückende Zeitzeugenberichte über Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde enthält das Buch „Die verhinderte Alpenfestung“ von Hellmut Schöner.

Die Todesopfer aus dem Sterbebuch der Pfarrei St. Andreas hat Pfarrer Otto Schüller bereits veröffentlicht (s. Literatur). Weitere, zum Teil unbekannte Todesfälle, finden sich im evangelischen Beerdigungsbuch:

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Grabinschrift Grethlein, Lohr

Nr. 49 Dipl. Ing. Georg Grethlein, 37 Jahre aus Selb, Betriebsführer der größten Baufirma am Obersalzberg, erhielt von der amerikanischen Militärregierung noch am Tag des Einmarsches den Auftrag, für Ruhe und Ordnung am Obersalzberg zu sorgen. Josef Lohr, sein Beifahrer aus Aich, wurde am Tag darauf von einem betrunkenen französischen Soldaten in den Bauch geschossen, an dessen Folgen er im Krankenhaus verstarb. Grethlein, der ihm zu Hilfe eilen wollte, erhielt einen tödlichen Kopfschuss. Laut kath. Sterbebuch (Nr. 97) verschied Lohr am 5. Mai um 20:00 Uhr, somit ist der Todestag, 6.5., auf dem einzig noch vorhandenen Grabstein nicht ganz richtig.
 

Nr. 53 Markus Müller, 25-jähriger Arbeiter aus Berchtesgaden, erlag am 8. Mai einem Kopfschuss in der Schappachhütte.

Nr. 57 Heinrich Prummer, Kriminalkommissar aus München kam durch Kopfschuss mit Schädelzertrümmerung am 6. Mai ums Leben.

(Beide auch im Sterbebuch von St. Andreas: Nr. 86 und 91).
 

Laut Mitteilung des katholischen Pfarramts Bischofswiesen wurden am 6. Mai 1945 im Egglergraben, oberhalb des Bahnhofs, vier deutsche Soldaten von Franzosen erschossen, am 7. Mai dort beerdigt und von Expositus Josef Ametsbichler eingesegnet:

Nr. 69 Friedhelm Frit, Oberstleutnant, 48 Jahre aus Wiesbaden;

Nr. 70 Christoph Schütte, Leutnant, 50 Jahre aus Leverkusen;

Nr. 71 Arno Müller, Leutnant, 25 Jahre aus Wilhelmshaven;

Nr. 72 Horst Forstmann, Fahnenjunker (das Soldbuch fehlte).

Alle waren evangelisch. Eine Benachrichtigung des zuständigen Seelsorgers war wegen der strengen Ausgangssperre nicht möglich. Am 20. Sept. 1945 wurden die Toten exhumiert, vom ev. Pfarrer Krauß ausgesegnet und im alten Friedhof bestattet. Nur Christoph Schütte überführte man auf Wunsch der Angehörigen nach Leverkusen.

 

 

Literatur:

- Hellmut Schöner, Verhältnisse nach dem Einmarsch der Besatzungstruppen im Mai 1945, in: Berchtesgaden im Wandel  der Zeit, Erg. Bd. I, S. 408/09;

- Otto Schüller, Selbstmorde und Erschießungen im Sterbebuch der katholischen Pfarrei, in: Die verhinderte Alpenfestung, S. 79.

 

Text und Fotos: Alfred Spiegel-Schmidt