Türme der Stiftskirche - 268 Jahre asymetrisch
Juni 2019
Die heutige, zum Schlossplatz gewandte Fassade der Stiftskirche erscheint in völliger Symmetrie: Ein zentrales Eingangstor, darüber die Fensterrosette und zwei gleichmäßig gegliederte Türme mit spitzen achteckigen Helmen. Wer jedoch alte Stiche betrachtet, entdeckt, dass die Stiftskirche über mehr als 250 Jahre nur einen Turm besaß.
1596 Blitzschlag setzte den Südturm in Brand
1596 setzte ein Blitzstrahl den südlichen der beiden damaligen gotischen Türme in Brand. Daher wurde anschließend bis zur Höhe des Langhauses abgebrochen und mit einem unscheinbaren niedrigen Aufbau abgeschlossen. Der ebenfalls durch den Blitz in Mitleidenschaft gezogene Nordturm dagegen wurde im Renaissance-Stil umgebaut und erhielt einen langen spitzen Helm, so dass er 76 Meter – und damit 25 Meter höher als die heutigen Türme – über den Schlossplatz ragte.
1819: Wieder ein Blitzschlag
Im Jahr 1819 schlug jedoch der Blitz wieder zu: Er setzte zwar den hohen Nordturm nicht in Brand, richtete aber so starken Schaden im Inneren der Kuppel an, dass dieser Turm ebenfalls bis zur Höhe des Langhauses abgetragen werden musste und einen Aufbau erhielt, der aber etwas anders aussah als der nebenstehende des Südturms. Diese Asymmetrie blieb bis 1864 bestehen, dann ließ der Architekt Heinrich Hübsch beide Türme niederreißen, und erbaute die neoromanische Fensterrosette und die beiden heutigen, 50,6 Meter hohen Türme.
Die heutigen Türme weisen zentrale Merkmale der Echter-Türme auf
Diese Türme werden oftmals ebenfalls als „neoromanisch“ bezeichnet. Doch tatsächlich entsprechen sie exakt den so genannten Echter-Türmen: quadratischer Grundriss und spitzer, achteckiger Helm. Somit gebührt ihnen eigentlich die Einordnung als „neogotisch“, denn der Würzburger Erzbischof Julius Echter von Mespelbrunn errichtete im 16. Jahrhundert diesen bekannten Kirchentyp – Renaissancebauten, die bewusst gotische Formelemente integrierten. Bis heute sind über 140 Kirchen mit Echter-Türmen erhalten, vor allem in Mainfranken.
Elke Röhrig-Kropp