Weder entdeckt, noch richtig entschlüsselt
November 2023
Der Sockel am Grabmal von Propst Wolfgang I. Lenberger in der Stiftskirche
November 2023
Das Grabmonument von Propst Wolfgang I. Lenberger (1521 – 1541) befindet sich an der Südwand des Chores der Berchtesgadener Stiftskirche. Es wurde zu Lebzeiten des Propstes, also vor 1541 gefertigt, wie man am nachträglich eingetragenen Todesdatum leicht erkennen kann.
Johannes Schöbinger beschreibt in einem Artikel im Berchtesgadener Anzeiger vom 07.09.23 das Relief auf dem Sockel des Grabsteins. Dabei sind ihm einige Fehler unterlaufen. Ich konnte diese nicht direkt im BAZ klarstellen, da ich mich im Urlaub befand und den Artikel erst viel später gelesen hatte. So möchte ich zumindest hier, diese Fehler berichtigen:
Herr Schöbinger meint, dass diese Grabplastik in der Literatur bisher nicht genannt ist. Das ist jedoch ein Trugschluss. Sie wird eingehend in den Kunstdenkmalen des Bezirksamtes Berchtesgaden auf den Seiten 2940/41 erläutert. Diese Fundstelle findet sich auch bei Karl-Otto Ambronn in seinem Beitrag über Propst Wolfgang I. in der Geschichte von Berchtesgaden auf Seite 558 (Fußnote 51). Es wäre also ein Leichtes gewesen, auf diese Quelle zu stoßen.
Weiter meint er, in den beiden Porträts, die sich rechts und links am Sockel befinden, den Stiftsdekan Wolfgang Lenberger und den Landrichter Christoph Lenberger an deren unterschiedlichen Kopfbedeckungen erkennen und zuordnen zu können.
Stiftsdekan Wolfgang Lenberger (1516 – 1521) war ein Onkel des namensgleichen Propstes und dürfte zu dessen geistlichem Aufstieg in Berchtesgaden maßgeblich beigetragen haben. Er starb 1521 und der spätere Propst Wolfgang I. übernahm zunächst dessen Stelle als Stiftsdekan, bis er im Jahr darauf zum Propst gewählt wurde. Er hat mit Sicherheit auch den Grabstein im Nordtrakt des Kreuzgangs für seinen Onkel in Auftrag gegeben, auf dem der Verstorbene durchaus repräsentativ in Lebensgröße mit Buch und Kelch zu sehen ist. Es macht zwar wenig Sinn, ihn, in so kleinem Format, wenige Jahre später am Propstgrabmal erneut darzustellen; aber ausschließen kann man das nicht.
Ganz anders verhält es sich beim Landrichter Christoph Lenberger (1538 – 1541), der nicht der Bruder des Propstes, wie Herr Schöbinger meint, sondern der Sohn seines Bruders war. Er erhielt wohl durch „Vetternwirtschaft“ diesen Posten und musste ihn direkt nach dem Tod des Propstes wieder räumen. Er war dann von 1541 – 1547 Pfleger in Braunau und anschließend Pfleger im Pfleggericht Reichenberg-Pfarrkirchen, wo er auch 1558 starb. Vor 1541, als das Grabmonument für Propst Wolfgang I. geschaffen wurde, war er entweder noch gar nicht oder erst kurz im Amt und vermutlich noch ziemlich jung. Für die Abbildung auf einem Grabmal kam er auf keinen Fall in Frage.
Die Kunstdenkmale bezeichnen die beiden Köpfe auf dem Sockel als „Brustbilder von Geistlichen“, was auch bewiesen werden kann. Denn im Südflügel des Kreuzgangs befindet sich aus gleicher Zeit das Doppelgrab der Chorherren Johannes (?) von 1504 und Urbanus Ottenhoffer von 1500. Beide sind auf dem Grabstein abgebildet und tragen die vermeintliche Kopfbedeckung des Landrichters.
Ich folge durchaus der Annahme von Herrn Schöbinger, dass es sich bei den zwei Porträts um Angehörige der Familie Lenberger handeln könnte. Dann befände sich rechts, wie schon erwähnt, der Stiftsdekan Wolfgang und gegenüber käme dann nur der Chorherr Alban Lenberger in Frage, der dem Stift von 1456 – 1474 angehörte. Weitere Angehörige der Familie gab es in Berchtesgaden nicht.
Darüber erhebt sich aber in Übergröße Propst Wolfgang I. in vollem Ornat mit Propststab (Pedum) und Buch und zeigt deutlich, wem die größte Ehre gebührt. Sein Grabmonument ist mit einer Höhe von 3,92 m auch das mächtigste in der Stiftskirche, was nicht gerade auf Bescheidenheit schließen lässt.
Lit.:
Die Kunstdenkmale der Bezirksämter Laufen und Berchtesgaden, München 1905 Nachdruck München 1982, S. 2940/41, 2956 und 2959; Abb. Grabmal Tafel 283
Karl-Otto Ambronn, Propst Wolfgang Lenberger (1523 – 1541), in: Geschichte vonBerchtesgaden, Band I., Berchtesgaden 1991, S. 543 – 558 mit Fußnote 51;
Abb. des Grabmals S. 545
Karl-Otto Ambronn, Biographisches Lexikon des Berchtesgadener Landes, Berchtesgaden 2016, Band 2, S. 874 – 878
Alfred Spiegel-Schmidt