Ein Brunnen zum Verschrotten
November 2024
Manch einer mag sich noch an das alte Hallenbad in Berchtesgaden erinnern. Der nüchterne modernistische Bau stand da, wo sich heute die Watzmanntherme befindet. Der kubische Zweckbau entsprach den architektonischen Vorstellung der sechziger Jahre. Für den Platz vor dem Hallenbad hat der Berchtesgadener Bildhauer Hans Richter seinen sogenannten „Tischbrunnen“ entworfen.
Die Wasserfontänen prasselten über mehrere „Tische“ in das rechteckige Becken. In seinem Buch „Hans Richter – Freude am Leben, Freude an der Bildhauerei 1945 – 1995“, dem das Foto entnommen ist, schreibt Richter: „Die Waagrechte und Senkrechte des strengen Betonbaues hatte ich in gegliederter Form wieder aufgenommen.“ Der Brunnen entstand für einem Wettbewerb. Das große Maß an Abstraktion ist eher untypisch für den Bildhauer, der oft figürlich gearbeitet hat. Schön ist, wie er die horizontalen „Tische“ angeordnet hat, so dass sie einen größeren Raum definieren. Ihre unterschiedlichen Höhen erzeugen Spannung. Die aufrechten Stützen dienen gleichzeitig als Fontänenbasis. Das macht den Brunnen insgesamt logisch und durchdacht, Eigenschaften, die in Richters Werken immer wieder zu finden sind. Nichts ist überflüssig, sondern die Formen sind auf das Notwendigste reduziert, ohne dass das Gefühl darunter leidet. Der Brunnen würde heute an vielen Orten passen. Ihn prägt eine zeitlose Ästhetik, die damals wie heute ihre Gültigkeit hat. In seinem Buch schreibt Richter: „Er verschwand mit dem Abbruch des Bades.“ In Berchtesgadener Künstlerkreisen hingegen wird sich erzählt, ein Alteisensammler hat den Brunnen einfach abgesägt und mitgenommen, weil sich sonst niemand für ihn interessiert hat. Was schade ist, denn auch bei der heutigen Watzmanntherme hätte er mit seinem Anblick und seinem Wasserspiel die Menschen erfreuen können. Schade, dass die Gemeinde damals keinerlei Kunstsinn bewiesen hat, und den Brunnen zum Alteisen hatte geben lassen. Denn er war mehr wert als nur den Eisenpreis. Dadurch ist leider der Gemeinde und den Bürgerinnen und Bürgern ein erheblicher Schaden entstanden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, was Kunst wert ist - der Gemeinde Markt Berchtesgaden damals anscheinend gar nichts.
Christoph Merker